Wiedereroberung verlassener Dörfer

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    Krishna
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    Wiedereroberung verlassener Dörfer

    http://www.daserste.de/weltspiegel/beitrag_dyn~uid,8e5oe66jy68empja~cm.asp

    Der Weg zum Traumhaus führt über Schotter und durch Schlaglöcher. Aber das stört Lou nicht. Sie hat sich bewusst für den rumpligen Weg zum Glück entschieden. Schöner Wohnen – in Ruinen. Genauer: In diesem verlassenen Dorf in Spaniens Norden. Ein halbes Jahrhundert hat hier keiner mehr gelebt.

    Bis vor drei Jahren. Dann kamen Lou und ihre Freunde und ließen sich hier nieder. Ohne Kauf. Ohne Genehmigung. Ohne Probleme. Das Geisterdorf wollte sonst niemand haben. Die Behörden ließen die jungen Leute einfach mal machen. Einfach machen ? das sagt sich leicht. Aber wer ein noch so malerisch gelegenes Trümmerfeld nach Jahrzehnten wieder in eine bewohnbare Siedlung verwandeln will, der braucht außer einer Portion Ehrgeiz auch eine gewisse Ader fürs Steinige und Staubige. Und Mörtel, notfalls selbst angerührt. Nach den ersten Wohnhäusern ist jetzt der alte Dorfbackofen mit der Renovierung an der Reihe.

    Am Fuß der Pyrenäen

    Lou: ?Also, meine Großeltern haben mir vorher schon gesagt, dass das Leben auf dem Dorf ziemlich hart ist. Klar, sie haben das ja früher selbst noch erlebt. Allein stelle ich mir das schwer vor. Es ist ganz gut, dass wir hier eine ganze Gruppe sind, so dass man sich gegenseitig helfen kann.?

    Die Freizeit gehört dem Ackerbau. Erfahrung mit der Landwirtschaft haben sie alle nicht mit aufs Land gebracht. Isa zum Beispiel ist Pädagogin. Wie man einen Salat erzieht, das hat sie erst auf dem Dorf gelernt. Aber bei aller Selbstversorger-Romantik ? ein Aussteigerleben kann und will sie hier auch nicht führen.

    Isa: ?Das Geld, das wir ins Dorf stecken, verdienen wir draußen. Wir sind ja ungefähr zwanzig Leute, und alle arbeiten in der Stadt. Aber hier auf dem Dorf können wir alles nach unseren Vorstellungen aufbauen. Dadurch fühlst Du Dich irgendwie mehr als die Hauptdarstellerin in deinem Leben.?

    Die passenden Kulissen dafür finden sich überall in dieser Region, am Fuß der Pyrenäen. Denn hier gibt es hunderte solcher Geisterdörfer, aufgegeben in den 50er Jahren. Aber eine ganze Reihe wird wieder neu besiedelt. Inzwischen entdecken nicht nur junge Abenteurer den Reiz der Ruinen.

    Früher Felder, heute ein Stausee

    Joaquin Guallar zum Beispiel kommt einmal im Jahr zum Fest in das Dorf seiner Kindheit. Seine Geschichte ist typisch für eine ganze Generation in Spanien: Aufgewachsen auf dem Land, Armut und Hunger, mit 30 Übersiedlung in die Stadt, bescheidener Wohlstand. Aber die Sehnsucht nach dem alten Zuhause zog mit in die Stadt und blieb immer. Sein Dorf heute ? das Skelett einer Heimat. Alles verfällt ? aber der Besitzerstolz nie.

    Joaquin Guallar: ?In diesem Haus bin ich auf die Welt gekommen. 1927. Und dann sind wir auf die andere Seite umgezogen. Was für Mauern! Und jetzt kommt mal hier runter!?, fordert er die Söhne auf. ?Da könnt ihr Euch mal den Balkon und die Fenster ansehen. Und von hier aus sieht man auch das ganze Elend ? was daraus geworden ist, seit wir das alles aufgeben mussten.?

    Aufgegeben für diesen Stausee. Wo er liegt, hatten die Bauern früher ihre Felder. Als die im See verschwanden, blieb den Bewohnern nur der Abschied. Aus dem Bauerndorf wurde ein Geisterdorf. Natürlich nicht von heute auf morgen. Den Verfall hat Joaquin über viele Jahre mit ansehen müssen. Immer wieder kam er aus der Stadt zu Besuch, und jedes Mal war von seinem Dorf ein bisschen weniger übrig.

    Joaquin Guallar: ?Als ich etwas Geld gespart hatte, habe ich um Erlaubnis gefragt, mein Haus in Schuss zu halten. Verstehst Du? Einfach nur erhalten. Ohne Erfolg. Die Behörden haben uns damals einfach nicht erlaubt, noch mal was an den Häusern zu machen, damit sie stehen bleiben. Das war ja noch unter der Franco-Diktatur. Später noch mal. Wieder keine Erlaubnis. Null.?

    Dorfgemeinschaft übersteht die Trennung

    Umarmen und Erinnern. Den Jungen, die in der Stadt geboren sind, reicht das nicht. Während Joaquin sich einfach freut, auf dem Dorffest alte Bekannte zu treffen, hat die nächste Generation andere Pläne: Das Dorf wieder aufbauen, aus den Ruinen Wochenendhäuser machen.

    ?Das ist wie ein Paradies hier.?, findet Joaquins Sohn. ?Wir müssen uns überlegen, was wir tun können, damit aus dem Dorf wieder was wird. Und eine gute Möglichkeit könnte zum Beispiel sein, dass wir die Häuser für den Tourismus nutzen.?

    Die Dorfgemeinschaft hat die Jahrzehnte e besser überstanden als das Dorf selbst. Immerhin: Zum jährlichen Gruppenfoto kann man sich inzwischen schon vor der frisch renovierten Kapelle versammeln.

    Zurück in den Bergen ? zurück zu den Mühen des Wiederaufbaus. Der ist noch lange nicht vollendet. Bei den Ämtern haben die jungen Leute beantragt, dass ihr Geisterdorf als lebendiges Dorf anerkannt wird. So hoffen Lourdes und ihre Freunde auch auf Förderung ? damit sie nicht stecken bleiben, auf halbem Weg, irgendwo zwischen Ruine und Baustelle.

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